22.11.2018
Wort zum Sonntag 22/2018

Wenn der Vorhang fällt

Aschenbrödel lief in diesem Jahr bereits am 17. November, nicht wie sonst üblich zu Weihnachten. Unvergesslich in diesem Klassiker Rolf Hoppe, der König. Er hat hunderte Rollen gespielt. Als Cowboy und Gojko Mitics Widerpart sahen wir Kinder ihn im Indianerfilm „Apachen“. Er nahm es für uns als Puppenspieler Meister Röckle mit dem Teufel auf. Den Kurfürsten August III. verkörperte er in „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“. Weltruhm erlangte Rolf Hoppe mit seiner Rolle als Göhring im oskarprämierten „Mephisto“. In der Komödie „Alles auf Zucker“ war er als Rabbiner der Sachwalter des mütterlichen Erbes, welches nur einen Zweck hatte: die zerstrittenen Söhne miteinander zu versöhnen.

Das Gute und das Böse, die Abgründe und das Erhabene, Kleinmut und menschliche Größe, nichts ist dem Darsteller Rolf Hoppe fremd gewesen. Alles hat er auf die Bühne und auf die Leinwand gebracht.

In der vergangenen Woche ist Rolf Hoppe verstorben. Alt und lebenssatt, heißt es in der Bibel. In den Armen seiner Frau, titelte das Blatt mit den großen Buchstaben. So, wie wir es uns für uns selber und für unsere Mitmenschen wünschen: nach einem erfüllten Leben.

Morgen gedenken wir in Kirchen und auf Friedhöfen der Verstorbenen. Und vielleicht fragen wir auch nach dem eigenen Leben und Sterben. Welche Rolle spiele ich? Wie spiele ich meine Rolle, kann ich ihr Bedeutung und Würde geben? Habe ich Freude an den Rollen, die mir in dieser Welt zufallen? Was bleibt am Ende?

Der christliche Glaube eröffnet uns für das Leben hier die Fülle der Möglichkeiten: Wir sind die Könige in dieser Welt und die Diener unserer Mitmenschen, wir kämpfen mit dem Teufel und werden von Engeln begleitet, wir sind Sünder und Gerechte, wir sind die Verzagten und die Mutigen, wir sind die Beschenkten und wir sind die Teilenden. Wie Schauspieler dürfen wir alles sein, dürfen wir die vielfältigen Facetten des Lebens kennenlernen und darstellen. Ein unermesslicher Reichtum ist uns geschenkt.

Und wir dürfen hoffen, wenn der letzte Vorhang fällt, wenn wir von der Bühne abtreten, werden wir gehalten.

Thomas Groß
Kreisschulgemeindepädagoge