25.03.2023
Wort zum Sonntag 13KW/2023
Ich bin ganz Ohr!
Christoph Busch heißt er und war damals 72 Jahre alt. In einem Kiosk saß er von 9.30 bis 14.30 Uhr – und hörte zu. Am Kiosk hing eine Fahne mit einem großen Ohr: „Ich höre Ihnen zu. Jetzt gleich oder ein andermal“.
Das war 2019 in Hamburg. Da ist jemand mit geduldigen und großen Ohren, der bereit ist, das eigene Leben zu öffnen für das Leben anderer, der sich Zeit und andere wahrnimmt.
Das jedenfalls, das Horchen, ist eine Dimension von Gehorsam – ein Wort, dem ich skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe. Jede Passionszeit vor Ostern macht es mir der Gehorsam wieder schwer, wenn es heißt: Jesus war gehorsam bis zum Tod. Wie schrecklich! Und wieviel Blut ist mit diesem Satz vergossen worden; wie viel buchstäblich blinder Gehorsam hat in Katastrophen geführt!
Aber es gibt eben auch diese andere Dimension des Gehorsams, die des Horchens: Jesus hat den Menschen zugehört, auch denen mit den leisen Stimmen. Hat sich ihre Not angehört, ihre Wünsche und Träume. Hat sich von den Menschen bewegen lassen. Hat auch mit den Händen gehört und das Leben von Menschen verändert. So ein hörendes Leben muss für uns – Gott sei Dank! – nicht am Kreuz enden. Aber vielleicht kostet es uns manchmal was.
In Hamburg jedenfalls hat sich inzwischen ein Team aus Ehrenamtlichen gebildet, die Menschen zuhören. „Es ist ein riesiger Bedarf an Zwischenmenschlichkeit“, sagt Christoph Busch. „Im Grunde stehe ich immer wieder vor der Frage: Kuriere ich da hier nicht nur Symptome? […] Eigentlich müsste man doch erstmal die Verhältnisse ändern“. Vielleicht wird ja aus dem Zuhören eine Bewegung hin zum Nächsten. Dann wäre unsere Welt eine andere.
Lydia Schubert,
Arbeit mit Ehrenamtlichen,
Kirchenkreis Merseburg
https://zuhör-kiosk.de (für alle, die mehr über den wunderbaren Verein erfahren möchten oder sich inspirieren lassen wollen)