08.08.2020
Wort zum Sonntag 19/2020

Freiheit – ist das einzige, was zählt...

...singt Marius Müller-Westernhagen. War es das, was am vergangenen Samstag Tausende Menschen in Berlin auf die Straße trieb? Oder ging es eher um meine Freiheit, die sie ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Einhalten von Abstandsregeln auf die Straße gehen ließ? Was ist das für eine Freiheit? Die Freiheit: alle anderen sind mir egal, solange ich tun kann, was ich will? Was bringt es mir, wenn ich mein Recht durchsetze ohne Rücksichtnahme, ohne Anstand, ohne (Verzeihung!) Verstand? In der Bibel lese ich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Jesus erspart uns die Verantwortung nicht! Sie gehört zu unserem Menschsein. Weil jeder Mensch eine einzigartige Würde hat und ein kostbares Ebenbild Gottes ist. Martin Buber übersetzt den Satz Jesu so: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ Für mich heißt das: Sieh in dem Menschen, der dir begegnet, ein Bild Gottes und respektiere ihn. Wer immer dir begegnet, behandle ihn mit Achtung. Sieh in ihm oder ihr nicht nur eine Arbeitskraft, einen Widerstand, einen Störfaktor, einen Gegner, ein Ärgernis. Sieh in Deinem Gegenüber ein einzigartiges und unverwechselbares Bild Gottes. Und: Behandle keinen Menschen als Mittel zum Zweck. Lass den Menschen, der jetzt vor Dir steht, den wichtigsten auf der Welt sein. Meine Freiheit findet also ihre Grenze immer an der Freiheit des anderen. Aber diese Grenze bedeutet keine Einschränkung sondern ist eine Chance! Die Chance zur Verbundenheit und Mitmenschlichkeit. Oder sollte Marius Müller-Westernhagen doch recht behalten mit seiner Befürchtung „Freiheit – ist das einzige, was fehlt“? Das wäre wirklich schade!
Pfarrerin Antje Böhme
Pfarrbereich Wallendorf