26.08.2023
Wort zum Sonntag 34KW/2023
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Jesaja 42,3a
Die Kinder spielen „Sachen entdecken“ im Garten und suchen etwas besonders Schönes. Gerade diskutieren sie, ob das bunt geringelte Schneckenhaus oder die Schmetterlinge schöner sind. Da hallt es aufgeregt durch den Garten: „Oh, wie schön. Schnell, kommt alle her. Los, beeilt euch, bevor die Sonne wieder hinter der Wolke verschwindet!“ Neugierig folgen wir. „Ihr müsst euch bücken und von unten schauen!“ Da sehe ich es auch. Wie Rubine und Samt leuchten meine Dahlienblüten, strahlend und von geheimnisvoller Tiefe zugleich. Ganz vorsichtig fahren die Finger über die zarten Blüten. Ja, das Schönste haben sie wohl gefunden.
Aber wo ist die Kleinste? Wir entdecken sie ganz versunken vor der Kompostkiste, in der alte Staudenstängel, Kaffeegrund und Gemüsereste aufgeschichtet sind. Und mittendrin wachsen zartgrün aber beharrlich: Dahlien. Ich erinnere mich: Vor ein paar Wochen sind die vertrockneten Reste der Knollen dort gelandet. Keine Spur von Leben war mehr in ihnen. Doch sie haben sich ins Licht zurückgekämpft - ohne Erde, im tiefen Schatten stehen sie als leuchtende Lebensspur da.
„Elfriede“ haben wir die Dahlie vor dreißig Jahren genannt, nach unserer von der langen Arbeit in der Landwirtschaft gebeugten Nachbarin, die uns eines Tages die Knolle über den Zaun gereicht hat. Sie sind sich ähnlich, die Blume und die Frau. Wenn man genau hinschaut, sieht man ein ganzes Leben: Den Kampf und das zähe Ringen, die Durststrecken aber auch die Schönheit, die Liebe und Wärme und vor allem ein tiefes Vertrauen: Ich werde gehalten.
Es grüßt Sie herzlich
Susanne Mahlke
Pfarrerin in Merseburg und Schkopau