29.10.2021
Wort zum Sonntag 43KW/2021

Ein Mönch geht durch die Straßen Wittenbergs

Bis heute höre ich diese Worte, die vor vielen Jahren die Predigt eines Pfarrers zum Reformationstag gliederten. Ich war vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, aber noch jetzt fühle ich die Gänsehaut von damals bei der dramatischen und packenden Schilderung von Luthers Thesenanschlag. Umstritten ist inzwischen, ob Luther seine Thesen wirklich in Wittenberg anschlug. Unbestritten ist, dass er sie veröffentlichte und damit die Welt, wie sie war, aus den Angeln hob. „Ein Mönch geht durch die Straßen Wittenbergs.“ Ein junger Universitätsprofessor wagte es, der allmächtigen Autorität von Papst und Kaiser und den prominenten Gelehrten seiner Zeit die Stirn zu bieten. Später im Studium kaute ich rat- und verständnislos an Luthers Aussagen zum Judentum herum. Aber trotz dieser kritischen Gedanken bewundere ich, was Luther geleistet hat: die Übersetzung der Bibel aus den Originalsprachen Hebräisch und Griechisch – in eine deutsche Sprache, die so einheitlich damals noch gar nicht existierte! Ich staune über die vielen Auslegungen von Bibeltexten, das Dichten beeindruckender Liedtexte, die unzähligen Predigten, die vielen Schriften zu den drängenden Fragen seiner Zeit, die bis heute aktuell und nachdenkenswert sind.

„Ein Mönch geht durch die Straßen Wittenbergs“ und hat mal eben die Welt aus den Angeln gehoben, ein System erschüttert und die Tür aufgemacht zu einem neuen Denken. Mich inspiriert das heute, mich den Problemen unserer Zeit zu stellen, neu zu denken, Bewährtes zu hinterfragen und ausgefahrene Wege zu verlassen. Mit Luther: „Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausendmal darüber stürbe. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und voller Lust gegen Gott und alle Kreaturen.“

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Wochenende und Mut zu Ihren neuen Wegen! Ihre Pfarrerin Antje Böhme