26.08.2022
Wort zum Sonntag 33KW/2022
Vom Wert des Menschen
Manchmal wundere ich mich, wie viele sogenannte Doku Soaps in unseren Fernsehprogrammen zu finden sind, von Frauentausch über Gerichtsverhandlungen bis hin zu Hart aber herzlich. Wer schaut sich das an, frage ich mich und warum? Vielleicht deshalb, weil es Menschen vermeintlich guttut, im Vergleich mit anderen, besser abzuschneiden?
Am Sonntag wird in unseren Kirchen ein Gleichnis Jesu gelesen. Das handelt von zwei Menschen, die in den Tempel kommen, um dort zu beten. Der eine ist ein frommer und gelehrter Mann. Er, so erzählt Jesus, stellt sich vorn hin und dankt Gott dafür, dass er nicht ist, wie die anderen, wie zum Beispiel der zweite Beter, ein Zöllner, der ganz hinten steht und stammelt: sei mir Sünder gnädig. Am Ende dieser Szene sagt Jesus: „Dieser (der Zöllner) ging gerechtfertigt.“ Als ich dies Gleichnis wieder las, musste ich an die Dokusoaps denken und daran, wie oft wir doch in die Falle tappen, uns zu vergleichen, so unseren vermeintlichen Wert zu steigern.
Wenn Jesus Gleichnisse erzählte, dann redete er eigentlich von Gott. Damit bekommt diese Geschichte eine neue Wendung. Jesus wollte gar nicht moralisieren. Vielmehr wollte er sagen: vor Gott bist du auf jeden Fall gut genug. Vor Gott musst du nicht nachweisen, dass du besser bist. Da fühle ich mich zurückversetzt in meine Kindheit. Ich konnte bei meinem Vater meine Fehler immer eingestehen, weil ich wusste, ich werde nicht ausgeschimpft, auch nicht bloßgestellt, sondern getröstet. Wie entlastend war das für mich. Ich musste um seine Liebe niemals kämpfen. Und eine solche Zusage in Bezug auf Gott bekommen wir mit diesem Gleichnis alle geschenkt.
Christine Aechtner-Lörzer, Diplomgemeindepädagogin in Merseburg