26.08.2024
Wort zum Sonntag 34KW/2024

Geduld üben

Das Kind sitzt auf seinem Stuhl und schaut gebannt auf den Tisch. Auf dem Teller eine klebrige Schaumzuckermasse: ein Marshmallow. Vielleicht bekommt es noch ein zweites dazu, als Belohnung für geduldiges Warten, wenn es den ersten nicht einfach aufisst. Tatsächlich gab es diesen Marshmallow-Test in den 70er Jahren. Fünfzehn Minuten warten zu können, braucht Geduld und ist manchmal frustrierend. Da tut eine Belohnung gut.

Unser Leben lang üben wir uns in Geduld und sind dabei mal mehr und mal weniger erfolgreich.

Jeden Tag müssen wir vieles ertragen und erdulden.

In der Antike war die Geduld eine Tugend, im letzten Jahrhundert rümpften manche die Nase und taten die Geduld als tatenloses Abwarten und Aushalten ab. Heute landet man im Internet schnell bei der „Karrierebibel“. Sie erklärt, wie man mit ein paar „Skills“ das „Tool“ Geduld lernen kann, um dann erfolgreich aufzusteigen. 

Wenn ich an Geduld denke, kommt mir Hiob aus dem Alten Testament in den Sinn. Er erträgt Leiden, Krankheit und Tod - aber keinesfalls tatenlos. Er spricht mit Gott und nimmt alles aus seiner Hand, das Gute und das Schwere. Gott gibt ihm die innere Kraft und ist erste Adresse für alle Klagen und Hoffnungen. Ich denke an Patienten, die viele Wochen geduldig Untersuchungen und Therapien ertragen, die Laufen und Essen neu lernen müssen, die auf Heilung hoffen und ihr Leben neu sortieren. 

Wenn ich Patienten im Krankenhaus besuche und ihnen zum Schluss unseres Gesprächs viel Kraft und Geduld wünsche, dann ahne ich, wie anstrengend es sein muss, sich ins Leben zurück zu kämpfen. Geduld ist so viel mehr als nur Warten. Gott schenke uns allen mehr Ruhe und Zuversicht und die Kraft zu ertragen.

 

Pfarrerin Monika Groß
Klinikseelsorgerin

Foto von Monika Groß